Welche Kompetenzen verlangt
die digitale Transformation?

Menschen, Innovationen und moderne Technologien sind die wichtigsten Zutaten für die Entwicklung digitaler Strategien. Eine neue Forschungsarbeit zeigt auf, welche Akteure für die Exploration neuer Möglichkeiten entscheidend sind.
CRM-Berater Stephan Bauriedel

DOI: 10.53176/206

25.01.2025

Die Entwicklung einer „echten“ digitalen Strategie verlangt nach Mut, Ausdauer und drei wichtigen Ressourcen. Nach dem initialen Impuls braucht es Mut, der neuen Idee zu folgen, und es erfordert Ausdauer, um sie zum Erfolg zu führen. Die drei Ressourcen sind das Budget, die Akteure und natürlich Zeit.

Die Digitalisierung des Geschäftsmodells ist ein reines Innovationsthema. Unternehmen erlangen neue Ideen meist durch Explorationen, die ergebnisoffene Erkundung neuer Möglichkeiten. Es ist immer eine Investition in eine unbekannte Zukunft, welche im disruptiven Internetzeitalter den Fortbestand des Unternehmens sichern soll.

Die Digitalisierung verändert die Kosten, die Produktivität und den Customer Value. So besitzen digitale Plattformen neun Attribute, welche eine analoge Organisation niemals alle abdecken kann. Diese Attribute sind: direkt, erreichbar, präzise, transparent, einheitlich, dynamisch, allumfassend, unermüdlich und individuell. Sie können einzeln oder in Kombination wirken. Deshalb sollten alle Unternehmen diese neuen Möglichkeiten kennen und angehen, bevor sie zu einer Bedrohung werden.
Um diese Vorteile auf das eigene Unternehmen zu übertragen, braucht es besondere interne und externe Akteure, welche für den Erfolg zusammenarbeiten sollten. Vier Personengruppen sind essenziell für den geschützten Rahmen, die Konzeption, die Koordination und die Umsetzung. Also nach wem verlangt die digitale Transformation?

Menschen vor Technologie

Die Digitalisierung der eigenen Geschäftsmodelle wird oftmals mit moderner Technologie (Web, App und Cloud) gleichgesetzt. Die Studie zeigt jedoch klar, dass die Technologie nur der Auslöser für neue Möglichkeiten ist.

Zur Erklärung: Die Digitalisierung entspringt der Verschmelzung zweier Basistechnologien, dem Computer und dem Internet. Öffnen sich Unternehmen dem Internet, verbinden sie sich über ihre Plattform systemisch mit Kunden, Lieferanten, Partnern und anderen Plattformen.

Mithilfe von Algorithmen werden digitale Angebote – in Form eines selbst handelnden Agenten – entwickelt, die dem Kunden einen Mehrwert liefern. Diese Intelligenz beruht auf neuen Geschäftsmodellen und unterscheidet sich von den traditionellen Geschäftsmodellen analoger Organisationen. Zwei elementare Neuerungen zeichnen die Digitalisierung aus: die Öffnung zum Internet und die digitale Intelligenz. Die Handlungsempfehlung für Unternehmer, angehende Projektleiter und Interessierte lautet sehr prägnant:

„Vergessen Sie die Technologie! Für das Internetzeitalter braucht es neue Ideen, und diese kommen von den Menschen.“

Die Studie zeigt auf, dass der Ursprung für den angestrebten wirtschaftlichen Erfolg nicht in der Wahl einer Technologie oder den Versprechen der Technologieanbieter zu finden ist. Digitale Strategien basieren auf einem neuartigen Geschäftsmodell, welches den Bauplan für das neue digitale Angebot darstellt. Geschäftsmodelle werden von den Menschen im Unternehmen entwickelt und den Experten, die sie dabei anleiten. Der Aufbau und die Motivation des richtigen Teams sind mit Abstand die schwierigsten Aufgaben für das Vorhaben.

Vorteile digitaler Geschäftsmodelle

Steve Jobs, Gründer von Apple Inc., hat nie über einen traditionellen Schallplattenladen nachgedacht, als er die erste digitale Musikplattform iTunes entwarf. Seine Idee war es, sich dem Internet zu öffnen und die gesamte Musik der Welt den Menschen jederzeit, von überall und besonders einfach zum Download anzubieten.

Die Immanenz von digitalen Geschäftsmodellen beruht auf drei Eigenschaften: Ubiquität, Vernetzung und Intelligenz. Das Geschäftsmodell von iTunes besitzt diese drei Merkmale. Es ist jederzeit und von überall erreichbar (Ubiquität) und es ist vernetzt mit Endkunden, Musikern sowie Produzenten (Vernetzung). Zudem nutzt Apple durchdachte Algorithmen, welche die Musik verwalten, vermarkten und abrechnen (Intelligenz).

Apple sprengt mit seinem digitalen Angebot die physischen Begrenzungen des Schallplattenladens. Es zeigt sich, dass bereits zwei der neun Attribute digitaler Plattformen die Produktivität steigern. Die Plattform arbeitet rund um die Uhr und ist „unermüdlich“, denn es gibt keine Begrenzung in den Downloads. Sie bietet mit über 100 Millionen Songs ein „allumfassendes“ Angebot. Der Customer Value ist exponentiell gestiegen, die Produktivität ist nahezu unbegrenzt und die Kosten sind auf dem geringstmöglichen Level. Der Schallplattenladen hat keine Chance zu überleben, denn die digitale Welt folgt anderen Gesetzen.

Die Pseudo-Digitalisierung!

Viele Unternehmen starten IT-Projekte und betiteln sie plakativ als den Schritt in die digitale Transformation. Es bleiben aber klassische IT-Projekte, deren Ziel es ist, den Arbeitsaufwand und die Kosten zu senken. Die Projekte sind oftmals isolierte Verbesserungen innerhalb einer Abteilung oder für einen Teilprozess. Es fehlen klare Ziele, eine Strategie und der ganzheitliche Ansatz. Trotz allem sind diese Projekte wichtig, denn in der Summe aller Einzelinitiativen stärken Unternehmen sukzessive ihre Wettbewerbsfähigkeit.

Die Investition in Prozesse und Systeme ist die „leichte“ Entscheidung, denn Unternehmen erzielen in der Regel eine spürbare Verbesserung. Die Vorhaben sind übersichtlich, kalkulierbar, beherrschbar, risikoarm und sichern den Status quo. Das Problem ist aber der Status quo, denn das alte analoge Geschäftsmodell wird gefestigt und die Möglichkeiten digitaler Geschäftsmodelle werden ignoriert.

Falsch sind die plakativen Überschriften, denn sie gaukeln eine Digitalisierung vor und liefern am Ende eine Pseudo-Digitalisierung. Unternehmer, Manager und Projektleiter zeigen sich immer neugierig, doch schnell kommen in den Gesprächen Zweifel und Unbehagen auf. Es fehlt ihnen an Wissen, an den Fähigkeiten und dem Bewusstsein für Veränderungen. Letztlich lehnen sie die Digitalisierung der eigenen Geschäftsmodelle als unvorstellbar ab. Das Resultat ist, dass die Pseudo-Digitalisierung floriert, denn sie ist immer die sichere Entscheidung. Alle Akteure kennen das Prozedere, fühlen sich wohl und sind zufrieden.

Horizonte bringen Transparenz

Das McKinsey 3 Horizon Framework beschreibt, wie Unternehmen die analoge Organisation stärken und die digitale Zukunft erkunden können. Das McKinsey 3 Horizon Modell ist ein strategisches Framework, das Unternehmen dabei hilft, ihre Ziele und Initiativen über einen Zeitraum von drei Horizon zu organisieren.

McKinsey 3 Horizon Framework

Horizon 1 Projekte sichern den Status quo. Sie besitzen aber den Nimbus einer Pseudo-Digitalisierung, denn das Level der Geschäftsmodellentwicklung wird nie tangiert. Die Möglichkeiten der digitalen Transformation werden nicht aktiviert.

Der Horizon 2 Ansatz sagt, dass bestehende Geschäftsmodelle um digitale Komponenten erweitert werden. Eine Möglichkeit ist die digitale Entwicklung der Außenbeziehungen. Das heißt, die Interaktion mit Kunden, Lieferanten und Partnern erfolgt durch den systemischen Austausch von Informationen.

Für eine Horizon 3 Innovation analysieren Unternehmen ihre Kunden. Es gilt, die Motivation des Endkunden zu hinterfragen, einen höheren Nutzen (Preis, Zeit, Komfort, Ubiquität) zu stiften oder ein Problem des Kunden besser zu lösen.

Der Unternehmer entscheidet, welche Zielsetzung er bei der Entwicklung seiner digitalen Strategie wählt. Möchte er eine Verbesserung des operativen Geschäfts, bewegt er sich im Horizon 1. Wählt er die ergebnisoffene Exploration neuer Opportunitäten zur Sicherung der Zukunft seines Unternehmens, bewegt er sich in Horizon 2 oder 3.

Innovationen mit Experten

Vier Akteure wurden identifiziert, die für den Erfolg der digitalen Transformation dringend gebraucht werden. Im Zusammenspiel der Personen oder Personengruppen ermöglichen sie es, das Wissen, die Methoden und die klare Zielsetzung sowie den Rahmen für die Exploration zu erschaffen.

1. Top-Management

Jedes Projekt braucht einen Impuls. Sind die bevorstehenden Veränderungen weitgreifend, benötigt es eine starke Persönlichkeit. Die Digitalisierung der Geschäftsmodelle startet auf der Ebene des Middle-Managements oder im Top-Management. Beide Ebenen werden für den initialen Impuls gebraucht und bedingen einander.

Das Umfeld und der Charakter der Initiatoren sind weitere wichtige Komponenten. Unternehmen mit einem hohen Innovationsgrad (Early Adopter) sind eher bereit für Explorationen als andere. Es verlangt den ambitionierten Entscheider (First Mover), der das Potenzial erkennt und mit Mut und Ausdauer vorangeht. Und es braucht einen oder mehrere Promoter, die die Exploration anführen, kommunizieren und schützen. Alle Initiatoren werden als Kosmopolit beschrieben. Sie gelten als weltoffen, informiert, gebildet, multikulturell und IT-affin.

Die Aufgabe des Managements ist es, einen langfristigen Rahmen für die Exploration zu schaffen und die nötigen Ressourcen zu sichern. Mit dem Projektteam werden die Fortschritte diskutiert, neue Schritte eingeleitet und Erfolge bewertet.

2. Strategieberatung für die Exploration

Die Studie hat belegt, dass das digitale Geschäftsmodell den wichtigsten Planungsschritt darstellt. Wird dieser Schritt übersprungen, beginnen Unternehmen die Digitalisierung als ein reines Technologieprojekt und investieren ohne Vision, Ziele oder einen Bauplan.

Die Strategieberater – von denen es nur wenige am Markt gibt – starten mit einem Wissenstransfer. In einer spielerischen Vorgehensweise wird versucht, dem Kunden ein besseres digitales Angebot zu unterbreiten. Hierfür hinterfragen sie den Kunden, seine Motivation und Erwartungen. Ideen werden geboren, geprüft, verbessert und verworfen. Ist eine Idee tragfähig, wird sie skaliert, getestet und wieder verbessert. Ist es eine reife Idee, wird das Geschäftsmodell realisiert. Genutzt werden hierfür Business Canvas Modelle, die es erlauben, Geschäftsmodelle mithilfe von sieben Elementen zu beschreiben.

Digital Action Methode - Strategieberatung

Die Strategieberater sind ausschließlich auf die Erkundung neuer Möglichkeiten fokussiert. In einem explorativen Vorgehen führen sie Teams zusammen, kreieren Ideen, erkunden die Wirkung und verändern nachhaltig das Mindset. Die Berater haben berichtet, dass die Unternehmen nicht nur den ersten Entwurf realisieren, sondern weiter daran arbeiten, die Motivation ihrer Kunden tiefer und tiefer zu analysieren.

3. Technologiepartner für die Realisierung

Ist das Geschäftsmodell gereift, geht es um die technische Realisierung. Das Unternehmen wählt eine Technologie und die dazugehörigen Partner aus. Es mag sein, dass es mehrere Technologien und Partner benötigt, um das Vorhaben umzusetzen.
Die Technologiepartner kommen mehrfach ins Spiel und agieren agil. So kann es sein, dass sie aufgefordert werden, ein unreifes Testobjekt zu kreieren, welches erste Teile des Geschäftsmodells abbildet. Sicher ist, dass ein oder mehrere Prototypen erforderlich sind, die zumindest das Kernangebot des Geschäftsmodells umfassen. Anhand der Prototypen kann das Projektteam die Conversion (Nutzung) messen. Dieser Indikator sagt aus, inwieweit Kunden das Angebot annehmen, wieder kommen oder verweilen.

Digital Action Methode - Technologie Partner

Wichtig ist, dass die Technologiepartner die Intention des Geschäftsmodells kennen und verstehen. Es ist kein technologisches Konstrukt aus Daten und Funktionen, sondern ein ubiquitäres, vernetztes und intelligentes Angebot für Kunden.

4. Projektleiter(in) und das interne Projektteam

Der Projektleiter oder die Projektleiterin hat den schwierigsten und spannendsten Job von allen Akteuren. Die Aufgaben sind, die vielfältigen internen und externen Kompetenzen zu koordinieren und natürlich die Gesamtverantwortung zu übernehmen.
In der Strategiephase geht es um den Wissenstransfer, das Teambuilding, die Ideen und die Erkundung neuer Möglichkeiten. Ist das Geschäftsmodell gefunden, braucht es zunehmend den Koordinator, der die externen Akteure führt, und den Promoter, der das Vorhaben intern verkauft. Und zum Schluss den Macher, der die alte analoge Organisation verdrängt und die Transformation abschließt.

Das Anforderungsprofil an die Projektleitung und das Team ist weitreichend. Die fachlichen Kompetenzen erstrecken sich vom Innovationsmanagement, der Geschäftsmodellentwicklung, der erforderlichen Projekterfahrung bis zu den digitalen Technologien. Es verlangt nach einer gestandenen Persönlichkeit mit Führungsstärke, Skills in Moderation, Kommunikation, Teambuilding und der angesprochenen kosmopolitischen Prägung.

Anders als bei einem Start-up sollte das Projektteam in einem langfristig geschützten Rahmen agieren können, welcher über ein gesichertes Commitment und das erforderliche Budget verfügt.

Fazit

Die digitale Transformation erfordert eine Vielzahl von Kompetenzen, die über den bloßen Einsatz moderner Technologien hinausgehen. Im Zentrum stehen Menschen, die mit Mut und Ausdauer neue Ideen entwickeln und umsetzen. Die Entwicklung einer echten digitalen Strategie ist ein komplexer Prozess, der Ressourcen wie Budget, Zeit und die richtigen Akteure benötigt. Unternehmen sollten ihre Geschäftsmodelle neu denken, um sich besser auf das Internetzeitalter auszurichten.

Entwicklung und Umsetzung digitaler B2B-Strategien

Forschungsarbeit- Digitale Strategien

Die digitale Transformation revolutioniert nicht nur die Märkte, sondern auch die Erfolgsfaktoren der Unternehmen. Diese umfassende Forschungsarbeit beleuchtet die Herausforderungen und Chancen digitaler B2B-Strategien, basierend auf tiefgehenden Experteninterviews mit Strategieberatern und Technologiepartnern.
ISBN 978-3-00-080560-8 | 120 Seiten | 49,-- €

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