DOI: 10.53176/206
25.01.2025
Die Entwicklung einer „echten“ digitalen Strategie verlangt nach Mut, Ausdauer und drei wichtigen Ressourcen. Nach dem initialen Impuls braucht es Mut, der neuen Idee zu folgen, und es erfordert Ausdauer, um sie zum Erfolg zu führen. Die drei Ressourcen sind das Budget, die Akteure und natürlich Zeit.
Die Digitalisierung des Geschäftsmodells ist ein reines Innovationsthema. Unternehmen erlangen neue Ideen meist durch Explorationen, die ergebnisoffene Erkundung neuer Möglichkeiten. Es ist immer eine Investition in eine unbekannte Zukunft, welche im disruptiven Internetzeitalter den Fortbestand des Unternehmens sichern soll.
Die Digitalisierung verändert die Kosten, die Produktivität
und den Customer Value. So besitzen digitale Plattformen neun Attribute, welche
eine analoge Organisation niemals alle abdecken kann. Diese Attribute sind: direkt,
erreichbar, präzise, transparent, einheitlich, dynamisch, allumfassend,
unermüdlich und individuell. Sie können einzeln oder in Kombination wirken.
Deshalb sollten alle Unternehmen diese neuen Möglichkeiten kennen und angehen,
bevor sie zu einer Bedrohung werden.
Um diese Vorteile auf das eigene Unternehmen zu übertragen,
braucht es besondere interne und externe Akteure, welche für den Erfolg
zusammenarbeiten sollten. Vier Personengruppen sind
essenziell für den geschützten Rahmen, die Konzeption, die Koordination und die
Umsetzung. Also nach wem verlangt die digitale Transformation?
Die Digitalisierung der eigenen Geschäftsmodelle wird oftmals mit moderner Technologie (Web, App und Cloud) gleichgesetzt. Die Studie zeigt jedoch klar, dass die Technologie nur der Auslöser für neue Möglichkeiten ist.
Zur Erklärung: Die Digitalisierung entspringt der Verschmelzung zweier Basistechnologien, dem Computer und dem Internet. Öffnen sich Unternehmen dem Internet, verbinden sie sich über ihre Plattform systemisch mit Kunden, Lieferanten, Partnern und anderen Plattformen.
Mithilfe von Algorithmen werden digitale Angebote – in Form eines selbst handelnden Agenten – entwickelt, die dem Kunden einen Mehrwert liefern. Diese Intelligenz beruht auf neuen Geschäftsmodellen und unterscheidet sich von den traditionellen Geschäftsmodellen analoger Organisationen. Zwei elementare Neuerungen zeichnen die Digitalisierung aus: die Öffnung zum Internet und die digitale Intelligenz. Die Handlungsempfehlung für Unternehmer, angehende Projektleiter und Interessierte lautet sehr prägnant:
Die Studie zeigt auf, dass der Ursprung für den angestrebten wirtschaftlichen Erfolg nicht in der Wahl einer Technologie oder den Versprechen der Technologieanbieter zu finden ist. Digitale Strategien basieren auf einem neuartigen Geschäftsmodell, welches den Bauplan für das neue digitale Angebot darstellt. Geschäftsmodelle werden von den Menschen im Unternehmen entwickelt und den Experten, die sie dabei anleiten. Der Aufbau und die Motivation des richtigen Teams sind mit Abstand die schwierigsten Aufgaben für das Vorhaben.
Steve Jobs, Gründer von Apple Inc., hat nie über einen
traditionellen Schallplattenladen nachgedacht, als er die erste digitale
Musikplattform iTunes entwarf. Seine Idee war es, sich dem Internet zu öffnen und
die gesamte Musik der Welt den Menschen jederzeit, von überall und besonders
einfach zum Download anzubieten.
Die Immanenz von digitalen Geschäftsmodellen beruht auf drei Eigenschaften: Ubiquität, Vernetzung und Intelligenz. Das Geschäftsmodell von iTunes besitzt diese drei Merkmale. Es ist jederzeit und von überall erreichbar (Ubiquität) und es ist vernetzt mit Endkunden, Musikern sowie Produzenten (Vernetzung). Zudem nutzt Apple durchdachte Algorithmen, welche die Musik verwalten, vermarkten und abrechnen (Intelligenz).
Apple sprengt mit seinem digitalen Angebot die physischen Begrenzungen des Schallplattenladens. Es zeigt sich, dass bereits zwei der neun Attribute digitaler Plattformen die Produktivität steigern. Die Plattform arbeitet rund um die Uhr und ist „unermüdlich“, denn es gibt keine Begrenzung in den Downloads. Sie bietet mit über 100 Millionen Songs ein „allumfassendes“ Angebot. Der Customer Value ist exponentiell gestiegen, die Produktivität ist nahezu unbegrenzt und die Kosten sind auf dem geringstmöglichen Level. Der Schallplattenladen hat keine Chance zu überleben, denn die digitale Welt folgt anderen Gesetzen.
Viele Unternehmen starten IT-Projekte und betiteln sie plakativ als den Schritt in die digitale Transformation. Es bleiben aber klassische IT-Projekte, deren Ziel es ist, den Arbeitsaufwand und die Kosten zu senken. Die Projekte sind oftmals isolierte Verbesserungen innerhalb einer Abteilung oder für einen Teilprozess. Es fehlen klare Ziele, eine Strategie und der ganzheitliche Ansatz. Trotz allem sind diese Projekte wichtig, denn in der Summe aller Einzelinitiativen stärken Unternehmen sukzessive ihre Wettbewerbsfähigkeit.
Die Investition in Prozesse und Systeme ist die „leichte“ Entscheidung, denn Unternehmen erzielen in der Regel eine spürbare Verbesserung. Die Vorhaben sind übersichtlich, kalkulierbar, beherrschbar, risikoarm und sichern den Status quo. Das Problem ist aber der Status quo, denn das alte analoge Geschäftsmodell wird gefestigt und die Möglichkeiten digitaler Geschäftsmodelle werden ignoriert.
Falsch sind die plakativen Überschriften, denn sie gaukeln eine
Digitalisierung vor und liefern am Ende eine Pseudo-Digitalisierung. Unternehmer,
Manager und Projektleiter zeigen sich immer neugierig, doch schnell kommen in
den Gesprächen Zweifel und Unbehagen auf. Es fehlt ihnen an Wissen, an den
Fähigkeiten und dem Bewusstsein für Veränderungen. Letztlich lehnen sie die Digitalisierung
der eigenen Geschäftsmodelle als unvorstellbar ab. Das Resultat ist, dass die Pseudo-Digitalisierung
floriert, denn sie ist immer die sichere Entscheidung. Alle Akteure kennen das
Prozedere, fühlen sich wohl und sind zufrieden.
Das McKinsey 3 Horizon Framework beschreibt, wie Unternehmen die analoge Organisation stärken und die digitale Zukunft erkunden können. Das McKinsey 3 Horizon Modell ist ein strategisches Framework, das Unternehmen dabei hilft, ihre Ziele und Initiativen über einen Zeitraum von drei Horizon zu organisieren.
Horizon 1 Projekte sichern den Status quo. Sie besitzen aber den Nimbus einer Pseudo-Digitalisierung, denn das Level der Geschäftsmodellentwicklung wird nie tangiert. Die Möglichkeiten der digitalen Transformation werden nicht aktiviert.
Der Horizon 2 Ansatz sagt, dass bestehende Geschäftsmodelle um digitale Komponenten erweitert werden. Eine Möglichkeit ist die digitale Entwicklung der Außenbeziehungen. Das heißt, die Interaktion mit Kunden, Lieferanten und Partnern erfolgt durch den systemischen Austausch von Informationen.
Für eine Horizon 3 Innovation analysieren Unternehmen ihre Kunden. Es gilt, die Motivation des Endkunden zu hinterfragen, einen höheren Nutzen (Preis, Zeit, Komfort, Ubiquität) zu stiften oder ein Problem des Kunden besser zu lösen.
Der Unternehmer entscheidet, welche Zielsetzung er bei der
Entwicklung seiner digitalen Strategie wählt. Möchte er eine Verbesserung des
operativen Geschäfts, bewegt er sich im Horizon 1. Wählt
er die ergebnisoffene Exploration neuer Opportunitäten zur Sicherung der
Zukunft seines Unternehmens, bewegt er sich in Horizon 2 oder 3.
Vier Akteure wurden identifiziert, die für den Erfolg der digitalen Transformation dringend gebraucht werden. Im Zusammenspiel der Personen oder Personengruppen ermöglichen sie es, das Wissen, die Methoden und die klare Zielsetzung sowie den Rahmen für die Exploration zu erschaffen.
Jedes Projekt braucht einen Impuls. Sind die bevorstehenden Veränderungen weitgreifend, benötigt es eine starke Persönlichkeit. Die Digitalisierung der Geschäftsmodelle startet auf der Ebene des Middle-Managements oder im Top-Management. Beide Ebenen werden für den initialen Impuls gebraucht und bedingen einander.
Das Umfeld und der Charakter der Initiatoren sind weitere
wichtige Komponenten. Unternehmen mit einem hohen Innovationsgrad (Early Adopter)
sind eher bereit für Explorationen als andere. Es verlangt den ambitionierten
Entscheider (First Mover), der das Potenzial erkennt und mit Mut und Ausdauer
vorangeht. Und es braucht einen oder mehrere Promoter, die die Exploration anführen,
kommunizieren und schützen. Alle Initiatoren werden als
Kosmopolit beschrieben. Sie gelten als weltoffen, informiert, gebildet, multikulturell
und IT-affin.
Die Aufgabe des Managements ist es, einen langfristigen Rahmen für die Exploration zu schaffen und die nötigen Ressourcen zu sichern. Mit dem Projektteam werden die Fortschritte diskutiert, neue Schritte eingeleitet und Erfolge bewertet.
Die Studie hat belegt, dass das digitale Geschäftsmodell den wichtigsten Planungsschritt darstellt. Wird dieser Schritt übersprungen, beginnen Unternehmen die Digitalisierung als ein reines Technologieprojekt und investieren ohne Vision, Ziele oder einen Bauplan.
Die Strategieberater – von denen es nur wenige am Markt gibt – starten mit einem Wissenstransfer. In einer spielerischen Vorgehensweise wird versucht, dem Kunden ein besseres digitales Angebot zu unterbreiten. Hierfür hinterfragen sie den Kunden, seine Motivation und Erwartungen. Ideen werden geboren, geprüft, verbessert und verworfen. Ist eine Idee tragfähig, wird sie skaliert, getestet und wieder verbessert. Ist es eine reife Idee, wird das Geschäftsmodell realisiert. Genutzt werden hierfür Business Canvas Modelle, die es erlauben, Geschäftsmodelle mithilfe von sieben Elementen zu beschreiben.
Die Strategieberater sind ausschließlich
auf die Erkundung neuer Möglichkeiten fokussiert. In einem explorativen
Vorgehen führen sie Teams zusammen, kreieren Ideen, erkunden die Wirkung und
verändern nachhaltig das Mindset. Die Berater haben berichtet, dass die
Unternehmen nicht nur den ersten Entwurf realisieren, sondern weiter daran
arbeiten, die Motivation ihrer Kunden tiefer und tiefer zu analysieren.
Ist das Geschäftsmodell gereift, geht es um die technische
Realisierung. Das Unternehmen wählt eine Technologie und die dazugehörigen
Partner aus. Es mag sein, dass es mehrere Technologien und Partner benötigt, um
das Vorhaben umzusetzen.
Die Technologiepartner kommen mehrfach ins Spiel und agieren
agil. So kann es sein, dass sie aufgefordert werden, ein unreifes Testobjekt zu
kreieren, welches erste Teile des Geschäftsmodells abbildet. Sicher ist, dass
ein oder mehrere Prototypen erforderlich sind, die zumindest das Kernangebot
des Geschäftsmodells umfassen. Anhand der Prototypen kann das Projektteam die
Conversion (Nutzung) messen. Dieser Indikator sagt aus, inwieweit Kunden das
Angebot annehmen, wieder kommen oder verweilen.
Wichtig ist, dass die Technologiepartner die Intention des
Geschäftsmodells kennen und verstehen. Es ist kein technologisches Konstrukt
aus Daten und Funktionen, sondern ein ubiquitäres, vernetztes und intelligentes
Angebot für Kunden.
Der Projektleiter oder die Projektleiterin hat den schwierigsten
und spannendsten Job von allen Akteuren. Die Aufgaben sind, die vielfältigen
internen und externen Kompetenzen zu koordinieren und natürlich die Gesamtverantwortung
zu übernehmen.
In der Strategiephase geht es um den
Wissenstransfer, das Teambuilding, die Ideen und die Erkundung neuer
Möglichkeiten. Ist das Geschäftsmodell gefunden, braucht es zunehmend den Koordinator,
der die externen Akteure führt, und den Promoter, der das Vorhaben intern
verkauft. Und zum Schluss den Macher, der die alte analoge Organisation
verdrängt und die Transformation abschließt.
Das Anforderungsprofil an die Projektleitung und das Team ist weitreichend. Die fachlichen Kompetenzen erstrecken sich vom Innovationsmanagement, der Geschäftsmodellentwicklung, der erforderlichen Projekterfahrung bis zu den digitalen Technologien. Es verlangt nach einer gestandenen Persönlichkeit mit Führungsstärke, Skills in Moderation, Kommunikation, Teambuilding und der angesprochenen kosmopolitischen Prägung.
Anders als bei einem Start-up sollte das Projektteam in
einem langfristig geschützten Rahmen agieren können, welcher über ein
gesichertes Commitment und das erforderliche Budget verfügt.
Die digitale Transformation erfordert eine Vielzahl von Kompetenzen, die über den bloßen Einsatz moderner Technologien hinausgehen. Im Zentrum stehen Menschen, die mit Mut und Ausdauer neue Ideen entwickeln und umsetzen. Die Entwicklung einer echten digitalen Strategie ist ein komplexer Prozess, der Ressourcen wie Budget, Zeit und die richtigen Akteure benötigt. Unternehmen sollten ihre Geschäftsmodelle neu denken, um sich besser auf das Internetzeitalter auszurichten.
Die digitale Transformation
revolutioniert nicht nur die Märkte, sondern auch die Erfolgsfaktoren der
Unternehmen. Diese umfassende Forschungsarbeit beleuchtet die Herausforderungen
und Chancen digitaler B2B-Strategien, basierend auf tiefgehenden Experteninterviews
mit Strategieberatern und Technologiepartnern.
ISBN 978-3-00-080560-8 | 120
Seiten | 49,-- €